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Was Erstwähler von der Europawahl erwarten

Kurz vor der Europawahl hat unser Mitarbeiter Alfred Riese mit Schülerinnen und Schülern aus Sozialwissenschaftskursen des zwölften Jahrgangs der Maximilian-Kolbe-Gesamtschule (MKG) gesprochen. Die meisten von ihnen dürfen am Sonntag zum ersten Mal ihre Stimme abgeben oder haben es schon per Briefwahl getan. Was sie sich davon erwarten, wie sich informieren und ihre Meinung bilden, was sie von nationalistischen Tendenzen halten und wie gut sie im Spitzenkandidaten-Nachnamen-Raten sind, zeigt das Gruppen-Interview.

Was bringt es, wenn man seine Stimme abgibt?

Die jungen Menschen wollen Einfluss nehmen, die Politik durch die Wahl gestalten – und durch ihre Stimmabgabe anderen nicht das Feld überlassen. Die Zitate:

„Es zeigt, dass einem Europa wichtig ist. Manche Menschen gehen ja vielleicht zur Kommunal- oder Bundestagswahl , und Europa ist ihnen nicht so wichtig.“

„Die Wahl ist eine Möglichkeit, meine Meinung politisch kundzutun. Es ist schlecht, wenn ich mich im Nachhinein dann über etwas beschwere, was in Europa passiert, was nicht so läuft, wie ich mir das vorstelle. Wenn ich nicht gewählt habe, kann ich mich schlecht beschweren.“

„Seine Stimme abzugeben zeigt, dass einem Europa wichtig ist. Manche Menschen gehen ja vielleicht zur Kommunal- oder Bundestagswahl, und Europa ist ihnen nicht so wichtig.“

„Mir liegt der Klimaschutz am Herzen. Ich möchte keiner anderen Partei, die damit nichts zu tun hat, meine Stimme geben. Wenn ich nicht wähle, mache ich aber andere Parteien stärker.“

„Es hat auch regional und national eine Wirkung, welche Parteien im Europaparlament wie stark sind, zum Beispiel bei Lebensmittelstandards.“

„Thema Uploadfilter und Urheberschutz: Das könnte junge Leute anregen, zur Wahl zu gehen, weil sie sich übergegangen fühlen von den alten Politikern und mit der Wahl versuchen, ihre eigene Meinung repräsentiert zu bekommen.“

Welche Auswirkungen hat eine geringe Wahlbeteiligung?

Wenn man sich in der Welt umsieht, erscheint es als Privileg, wählen zu dürfen. Diese Stimmung ist bei den Schülerinnen und Schülern spürbar. Es macht den Eindruck, dass die Wahlbeteiligung bei ihnen hundert Prozent betragen wird.

„Anhänger von Populisten gehen sehr wahrscheinlich zur Wahl. Wenn gleichzeitig die Befürworter der Parteien in der Mitte nicht wählen, haben populistische Parteien mehr Gewicht.“

„Viele denken sich: CDU passt schon, die gewinnen sowieso. Das ist falsch, Wenn man eine bestimmte Partei will, sollte man zur Wahl gehen. Wenn ganz viele zu bequem sind und zu Hause bleiben, dann war´s das. Dann gewinnen die ganz Rechten oder ganz Linken.“

„Die Wahlberechtigung ist eines der Mittel, um Demokratie mitgestalten zu können.“

„Wenn man nicht wählt, zeigt man, dass es einen gar nicht richtig interessiert, dass man gar keine Meinung hat und Europa unnötig findet oder sich selbst nicht einbringen möchte.“

„Es ist ein Privileg, dass wir die Möglichkeit haben zu wählen und mitzubestimmen. Unsere Vorfahren haben dafür gekämpft, dass wir heute in einer Demokratie leben. Das sollte man nicht mit Füßen treten, indem man die Möglichkeit zu wählen nicht nutzt.“

„Die Wahlberechtigung ist eines der Mittel, um Demokratie mitgestalten zu können.“

Europa ist wichtig, weil die Welt immer mehr vernetzt wird. Es wird immer schwieriger, die Probleme auf nationaler Ebene anzugehen. Es werden immer mehr Entscheidungen international getroffen. Besonders jetzt in dieser Umbruchphase sollten wir zusammenarbeiten. Dafür ist Europa ein guter Ansatz.“ (Projekt Europa; Klimaschutz; mehr Größe bedeutet mehr Einfluss)

„Es gibt weniger Rivalität zwischen den Ländern, wenn sie zusammen die Europäische Union sind.“

„Konzerne operieren über Ländergrenzen hinweg und bekommen so immer mehr Macht. Es ist wichtig, dass die Länder sich als Einheit zeigen, um dagegen vorzugehen und ihre Bürger zu schützen.“

Wie informiert ihr euch?

Für den Interviewer überraschend: Etliche der Schülerinnen und Schüler lesen Tageszeitung und auch politische Wochenmagazine. Nicht überraschend: Viel läuft bei der Informationsbeschaffung und Meinungsbildung digital. Wichtig ist den Schülerinnen und Schülern – das sagen mehrere – sich mit anderen Positionen auch im Gespräch auseinanderzusetzen.

„Was ich wählen will, habe ich richtig erst herausgefunden mit dem Wahl-o-mat herausgefunden. Ich informiere mich ansonsten mit der Spiegel-App und einer News-App. Bei Google kann man gucken, was einen interessiert. Ich lese erstmal das, was mir angeboten wird, gucke dann aber auch genauer nach.“

„Ich versuche, verschiedene Sichtweisen aufzunehmen und mir daraus meine eigene Meinung zu bilden.“

„Ich versuche gerade im Wahlkampf, die Medien zu meiden. Jetzt versuchen viele, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Das sehe ich kritisch. Ich lese Wahlprogramme von Parteien, die mich interessieren. Aber ich überlege mir auch die Taktik, die hinter Parteienwerbung steckt.

„Ich lese die Tageszeitung und ,Die Zeit´. Bin ich jetzt auch alt?“

„Bei mir kommen Gespräche mit Eltern und Freunden dazu. Die sind auch wichtig und zeigen mir neue Denkweisen und andere Meinungen.“

„Ich versuche, verschiedene Sichtweisen aufzunehmen und mir daraus meine eigene Meinung zu bilden.“

„Auch, wenn im Gespräch Meinungen kommen, bei denen ich denke, das geht so nicht, würde ich trotzdem versuchen, nochmal mit den Leuten zu reden. Ich habe dann das Gefühl: Wenn die nochmal darüber nachdenken, müssten sie auf etwas anderes kommen.“

„Ich kenne schon ein, zwei Personen, bei denen ich glaube: Das bringt nichts, mit denen nochmal zu diskutieren.“

„Ich hatte schon im Flugzeug ein Gespräch – das war extrem, brutal. Ich musste mich echt zusammenreißen, um nichts Falsches zu sagen.“

„Ich bin in sozialen Netzwerken unterwegs und habe mir die Präsentationen von Parteien und Organisationen angesehen, zum Beispiel Greenpeace. Darüber diskutiere ich mit meinen Eltern und Freunden. Manchmal muss ich auch Leuten erst erklären, wie unser Parteiensystem funktioniert. Man muss sich mit eigener Initiative informieren und herausfinden, was man selbst für wichtig hält.“

„Ich habe gerade ein politisches Video von Youtube geschickt bekommen. Das fand ich mega spannend. Es ist manchmal gar nicht so schlecht, sich die Meinung von Youtubern anzuhören, zusätzlich zur Zeitung. Youtube-Videos bringen mich manchmal wirklich weiter.“

„Bei Vielem habe ich noch gar keine richtige Meinung, sondern eher ein Gefühl. Dann finde es gut, mit Leuten zu reden, herauszufinden wie die zu ihrer Position gekommen sind. Auch wenn ich das manchmal ziemlich anstrengend finde.“

Die Politiker-Nachnamen

Das Politiker-Nachnamen-Raten: Ein bisschen fies, aber lustig.

Für Manfred (Weber, CSU) braucht es ein paar Tipps. Ska (Keller, Grüne) kommt auf Anhieb. Sven (Giegold, Grüne) auch. Jörg (Meuthen, AfD) ist ebenso bekannt. Bei Nicola kommt das Beer (FDP) mit einem Fragezeichen. Die Frage nach Özlem findet man fies – es ist Demiral (Linke). Am Ende bringt die Schwarmintelligenz alle Nachnamen zusammen.

Was haltet ihr davon, wenn einzelne Mitgliedsstaaten ganz andere Ansichten haben, wie Europa funktionieren sollte?

Fairness und Solidarität unter den Mitgliedsländern: Die Schülerinnen und Schüler zeigen sich als überzeugte Europäer. Sie sehen aber auch die gemeinsame Verantwortung Europas in der Welt.

„Ich habe gehört, dass Österreich keine Flüchtlinge aufnehmen oder durchlassen möchte. Das finde ich nicht korrekt. Wir sollten definitiv das Problem in Europa gemeinsam angehen und nicht nur zum Beispiel Italien damit belasten. Jeder Mensch hat ein Recht auf Schutz vor Verfolgung, das sagen die Menschenrechte. Wenn man selbst verfolgt würde, würde man auch wollen, dass einem geholfen wird.“

„Die Länder wollen auch wegen der wirtschaftlichen Vorteile in der EU sein. Dann sollten sie auch für die anderen Werte einstehen.“

„Die Länder wollen auch wegen der wirtschaftlichen Vorteile in der EU sein. Dann sollten sie auch für die anderen Werte einstehen.“

„Ich finde es unfair und ungerecht gegenüber den Flüchtlingen und auch Italien und Griechenland, wenn Länder keine Flüchtlinge aufnehmen wollen.“

„Ich denke, es ist auch wichtig zu versuchen, bei der Ursache des Problems anzusetzen: Warum kommen die Leute hierher. Die EU sollte mit ihrem Einfluss in Konfliktherden für mehr Schutz der Zivilbevölkerung sorgen.“

„Ich finde es nicht schlimm, wenn man Flüchtlinge aufnimmt, auch viele. Aber Deutschland hat ein Problem mit dem Abschieben. Das müsste schneller laufen, wenn die Menschen in ihren Heimatländern nicht gefährdet sind, sondern aus wirtschaftlichen Gründen kommen. Wir sollten die gefährdeten Menschen aufnehmen.“

WN: Alfred Riese

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