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Literaturkurs der MKG meistert die Herausforderungen des „Floß der Medusa“

Ein Kammerspiel auf einem Rettungsboot als einziger Kulisse, die schwere Frage: „Können Kinder töten?“ und der Bezug zum Flüchtlingsgrab Mittelmeer: Der Literaturkurs Jahrgang zwölf der MKG meisterte diese Herausforderungen eindrücklich mit seiner Inszenierung von Georg Kaiser Schauspiel „Das Floss der Medusa“. „Für solche Abende lohnen sich Schweiß, Mühe und Nerven“, stellte Literaturlehrer und Regisseur Werner Engels als Zeugnis aus.

Mit Holzpaletten, Tüchern, ein paar Stöckern, kleineren Requisiten und einer Leinwand verdichteten die 13 Schauspielenden aus der Q1 der Maximilian-Kolbe-Gesamtschule den Kern des 1945 in Basel uraufgeführten Stücks: Nachdem ihr Evakuierungsschiff aus England im September 1940 von einem deutschen U-Boot versenkt wird, findet sich eine Gruppe von Kindern auf einem Rettungsboot auf offener See und kämpft sieben Tage lang ums Überleben – und um die Menschlichkeit.

Mit nur wenig Text zeigten die Darstellerinnen und Darsteller von je fünf der Jungen und Mädchen eine beachtliche Bühnenpräsenz und boten den Zuschauenden immer wieder Stoff. Zusammen überzeugten sie als die manipulierbare Masse mit Nummern statt Namen. Den allergrößten Teil der sprachlichen Handlung entwickelten die Darstellerinnen des dominierenden Kinderpaars Ann und Allan textsicher und konsequent. Während die zarte Zuneigung der beiden Zwölfjährigen in eine ernst gemeinte Hochzeit mündete, entfalteten sie sprachlich ausdrucksstark die zunehmende Auseinandersetzung.

Aus der zunächst auch körperlich gut sichtbar den anderen zugewandten Ann wurde nach und nach das manipulative Biest im kleinkarierten Kostüm, die Verderbnis bringende Medusa der griechischen Mythologie, bei Kaiser gekleidet in das Gewand von pseudoreligiösem Eifer und Populismus mit zuckersüß-bitteren Stakkato-Monologen. Nicht minder überzeugend zeigte sich Allan zwischen seiner Liebe und der üblen Situation hin und her gerissen und immer öfter ganz ruhig verbal als Gegenpart von Ann.

Nur: Es nützte nichts. Füchslein, der siebte Junge, stumm und Außenseiter, angeblich unglücksbringender 13. im Boot und deshalb Anns Opfer, ging über Bord – getötet von den Jungen und Mädchen. Wie Verführung gelingt, dass zeigte Ann in ihrem Spiel Angst einflößend klar, so wie die Darstellenden der Kinder gut rüberbrachten, dass Mitläufertum keine Schuld kennt.

Am Ende verweigert Allan die Rettung, enttäuscht von Ann, verzweifelt über Füchsleins Ermordung und in der Überzeugung, dass Erwachsene schlecht sind und Kinder wie Erwachsene. Im Dunklen stellt der Chor der Darstellenden fest: „Wieder einmal ist es vollbracht“ – Medusa hat gesiegt.

Die Inszenierung im kleinen Forum, die Jahresarbeit des Literaturkurses, sparte nicht mit interessanten Ideen und Details. Zu Beginn sprach der Chor aus dem Off Zahlen: „2022 – 2406“, „2016 – 5136“ – so viele tote Bootsflüchtlinge im Mitteljahr wurden gezählt in den Jahren. Auf den Plätzen fanden die Zuschauer Mallorca-Badetücher - richtig gemütlich. Brezel und Cola gab‘s in der Pause in Strandhütten. Hinweise darauf, wen Georg Kaiser noch auf dem „Floß der Medusa“ glaubt. Die Inszenierung präsentierte sich als gelungenes Stück Theater an der Schule, auch ohne Happy-End.

Text und Fotos: Alfred Riese

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