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Wer ist nun überlegen? - Aufführung „Schottys Kampf“

Mitten in der Zeit präsentiert sich der Literaturkurs Q2 (Jahrgang 13) mit seiner Inszenierung von „Schotty Kampf“. Die Grimme-Preis gekrönte Folge der NDR-Fernsehserie „Der Tatortreiniger“ spielt im Hinterzimmer eines Neonazi-Vereinsheims zwischen Hitler-Gemälde und Hakenkreuzfahne.

Wo „Mein Kampf “ auf der Theke liegt, nimmt der Tatortreiniger „Schottys Kampf“ auf. Die einstündige Inszenierung der Abiturienten der Maximilian-Kolbe-Gesamtschule (MKG) zeigt mit pfiffigen Regieideen, prägnant und unterhaltsam: Haltung und Intelligenz sind in der Konfrontation mit neuen Nazis ebenso erforderlich wie erfolgreich.

Scharf zeichnet Tobias Böckmann , in der Abendpremiere am Dienstag in der Rolle des Vereinsvorsitzenden Ulf Sanderberg, die Funktionsweise neo-nazistischen Denkens und Agierens. Harmlos kommt er erst daher, prangert Missstände an, will junge Menschen für Politik interessieren. Dann fällt der Folien-Vorhang zum Hinterzimmer, wo Vereinsmitglied Thomas von der Leiter zu Tode stürzte. Es enthüllt sich das Panorama des blanken Nazitums. Und es zeigt sich Sanderbergs Gesinnung: der Nationalsozialismus als gute, aber nicht zu Ende geführte Sache.

Im Minutentakt und sehr überzeugend wechselt Tobias Böckmann als Vereinsvorsitzenden zwischen dem großtuerischen „kleinen Führer“ und der Rolle des Opfers und Relativierers: Warum nicht auch mal die positiven Aspekte der NS-Diktatur sehen? Was unterscheidet Hitler eigentlich von anderen großen Führern? Böckmanns gerolltes „R“ reicht, um den Bezug zur Geschichte herzustellen.

Unter diesem Stakkato erhebt sich Schotty (Leonie Deitmar) langsam, aber zusehends aus seiner knienden Putzhaltung. Mit klarer Körpersprache, mit knappen, ruhigen Worten und ziemlich cool führt Leonie Bäumer ihre Rolle in eine Art Untergrundkampf. Die brandneue Nazi-Rune? Ein behindertes Gummibärchen ohne Arme. Den schwulen Ohrring soll er entfernen, weil es den Aufpasser Hannes, genannt Bombe, mit Bierpulle in der Hand aggressiv macht? Schotty pappt stattdessen einen Putzschwamm aufs Ohr. Das macht aber weniger ihn lächerlich als die Neonazi-Hilfskraft, die glaubhaft dämlich von Marco Reiche gespielt wird. So dämlich, dass er auf Schottys Trick mit erfundenen Killerkakerlaken-Eiern reinfällt und den Entrümpelungsauftrag fürs Vereinsheim unterschreibt.

Mit sichtlichem Spaß schmeißt die Kolonne „die ganze Scheiße“ raus und hisst stattdessen Europa- und Regenbogenfahne. „An ihren Worten von Überlegenheit ist etwas dran“, verabschiedet sich Schotty von Sanderberg – aber offensichtlich umgekehrt. Derweil stellt der Oberstufen-Chor die Verbindung zwischen alten und neuen Nazis her mit „Bella Ciao“, dem Lied der antifaschistischen Widerstandskämpfer in Italien während des Zweiten Weltkriegs.

„Schauspielerisches Tun führt dazu, über sich selbst nachzudenken und die Gesellschaft, sagte der Literaturkurs-Lehrer Werner Engels. Theaterarbeit helfe Jugendlichen, sich „zu positionieren – hier für Freiheit, Toleranz und Solidarität.“

WN: Alfred Riese

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